Mozart 100 – Das sind gut 100KM und 5000HM durch die Berge und Täler des Salzburger Landes sowie der persönlichen Emotionen:
- KM0: Die Unsicherheit vor dem Start. Die Distanz macht mir mittlerweile keine Angst mehr, aber wird der Körper mit dem Kopf mithalten können? Etwas Beruhigung im Vorfeld brachte mir der Brennnessel-Notfalltipp meiner Ultra-Coachin.
- KM7: Die innerliche Empörung über jene Leute, die im Flachen schnell losstarten (ich selbst war bis dahin mit ca. 5:40min/km unterwegs), aber beim ersten kleinen Anstieg ihre Stecken auspacken, anfangen zu gehen und somit im noch sehr engen Feld einen Stau verursachen. Bei allem Respekt vor dem noch Bevorstehenden – Aber das ist doch kein Wandertag!
- KM17: Der Genuss der morgendlichen Stimmung, als die Sonnenstrahlen durch die Nebelschwaden tauchen. Zum Glück würde dieser Tag nicht allzu heiß werden.
- KM22: Der perfekte Plan, hier vom Betreuungsteam die Stecken überreicht zu bekommen. Nur blöd, wenn man sie eine Woche vorher abbricht. Danke Josef fürs Ausborgen! Und auch für den weltbesten Trainingsplan (obwohl du mich mit deiner Art gelegentlich aufs Äußerste herausforderst – positiv formuliert 😉)
- KM42: Die mentale Taktik, mich darüber zu freuen, heute den ganzen Tag mit Etwas zu verbringen, was ich gerne mache. Schließlich konnte ich innerhalb des letzten Jahres gar nicht so viel laufen wie gewünscht.
- KM51: Die Vorfreude auf den Inhalt des persönlichen Dropbags sowie das Wiedersehen mit dem Betreuungsteam. Danke Richard für den Zuspruch über mein fabelhaftes Aussehen. Danke Bernhard fürs Aufschneiden der Avocados und fürs Einschmieren mit Sonnencreme während ich gegessen habe. Danke Ferdinand für die Hilfe beim Befüllen des Rucksacks mit neuem Wegproviant.
- KM60: Der Gedanke „Jeder verdammte Berg hat ein Ende“, der mich den letzten wirklich langen Anstieg auf den Schafberg hinauf antreibt. Ab jetzt überhole ich immer mehr Menschen. Ich weiß, dass ich nach hinten raus richtig stark bin.
- KM67: Der langsame Umstieg in den Überlebensmodus: Nur noch ein Marathon. Ich bin wieder ohne Stecken unterwegs und gehöre damit zur Minderheit. An ein paar Passagen wären sie durchaus noch hilfreich gewesen, aber es stand mehr dafür, die Hände frei zu haben. Stichwort: Essen, essen, essen!
- KM74: Die Erinnerung an den 24-Stunden-Lauf und daran, was wirklich müde Beine sind. Demnach also den Kopf überzeugt, dass eine Pace von 6:15min/km im Flachen durchaus machbar ist.
- KM76: Der Beginn meines gedanklich letzten Abschnitts. Ich habe keine Zweifel mehr daran, dass ich es schaffe. Unaufgeregt und ohne viel Zeit zu verlieren, fülle ich meine Wasserflaschen auf und laufe weiter. Nach außen hin mache ich jedoch anscheinend keinen sonderlich begeisterten Eindruck, weshalb mir Kathrin hinterherruft: „Genieße es!“
- KM84: Die erschöpfte Dankbarkeit über die Wasserschaffeln, die Privatpersonen vor ihren Häusern aufgestellt haben. Ich freue mich, mein Kapperl immer wieder eintauchen und so meinen Kopf kühlen zu können.
- KM87: Nur noch ein Halbmarathon. Was ist schon ein Halbmarathon?!
- KM91: Die wortlose Kommunikation mit einem Streckenposten. Das Läuferfeld hat sich endgültig zerstreut. Alle bewegen sich schweigend in Richtung Ziel.
- KM92: Nur noch 15 Kilometer. Also nur noch so 1,5 bis 2 Stunden – wenn es flach wäre. Uije, ich will gar nicht weiterdenken… Ich habe fast keine Paradeiser mehr, allerdings noch einen Dattel-Riegel, auf dessen Süße mir absolut der Appetit fehlt. Gegen jeden Genuss, jedoch in Gedanken bei meinen Energiereserven, zwinge ich also diesen Riegel hinunter und bin damit schon mal eine halbe Stunde beschäftigt.
- KM94: Die mentale Umstrukturierung, dass es immer noch „nur noch 15 Kilometer“ sind, was durch die unterschiedlichen Angaben des Veranstalters und meiner Uhr bedingt ist. An der rechten großen Zehe macht sich eine Blase bemerkbar. Tut zwar bergab sehr weh, aber jetzt brauch ich wirklich nicht mehr damit anzufangen, irgendwelche Pflaster aufzukleben.
- KM99: Die lautstarke Empörung darüber, wer denn bitte jetzt noch auf den Nockstein rauf möchte – Ich jedenfalls nicht! Lachend schenkt mir ein Mann an der Labestation Wasser in meine Flasche und meint, dass ich den Gipfel von hier aus schon sehen könne.
- KM102: Der Punkt, an dem absolut keiner mehr wettkämpfen will. Auf engen Trail-Passagen weichen langsamere Teilnehmende freiwillig zur Seite. Bei jeder Frau, die ich einhole, hoffe ich, dass sie eine andersfarbige Startnummer trägt und somit nicht den gleichen Bewerb läuft wie ich. Ich möchte mich mit niemandem mehr matchen, ich möchte einfach nur ins Ziel und dann ins Bett.
- KM105: Die überraschte Freude, dass mich Bernhard ein paar Hundert Meter begleitet, bei gleichzeitiger Entnervtheit darüber, wie er auf mich einredet: „Viel Spaß am Kapuzinerberg. Für den Mozart100 schütten sie ihn extra jedes Jahr ein bisschen höher auf.“ Und er hat Recht mit dieser Aussage.
- KM108: Der Unglaube darüber, dass ich gleich mit dem Laufen aufhören werde. Passanten feuern mich an: Go girl. You did it! Zweimal muss ich noch an roten Ampeln warten. Das Stehen tut weh.
- KM108,5: Der Zielsprint, der zu meiner eigenen Überraschung noch möglich ist. Mit 4:00min/km fliege ich über den Residenzplatz, mein Betreuungsteam hat alle Mühe dranzubleiben und wird sogar selbst angefeuert.
- KM108,8: Die verrückte Idee, beim Einbiegen auf die Zielgerade am Kapitelplatz den Läufer 100 Meter vor mir noch zu überholen.
- KM109: Was soll ich sagen: Es ist sich ausgegangen. Ganz ohne Brennnessel.