8 Schätze gibt’s beim Chinesen. 8 Tugenden im Buddhismus. Und hier jetzt jeweils 8 Erfahrungen von den einzelnen Tagen des Schneeberglaufs 2.0.
TAG 1: Mistelbach → Purkersdorf: 67KM, 1400HM, netto 7h50min
(1) Wegzehrung: Von Mistelbach bis Niederkreuzstetten kümmerte sich Josef um das leibliche Wohl aller Teilnehmenden: Es gab Wiesenboxbart und Sommeräpfel. Später folgten Brombeeren, von denen glücklicherweise ein paar risikofrei zugänglich und auch schon genießbar waren.
(2) Spielplätze: Alterstechnisch sind wir ja die „Kinder“ dieser Gruppe, daher mussten auch ausreichend Spielplatz-Stopps eingeplant werden. Niederkreuzstetten, Manhartsbrunn, Korneuburg und die Mostalm überzeugten uns mit Trinkbrunnen, Seilbahnen, Balancebalken und Schaukeln.
(3) 632 ist entweder die Vorwahl von Manila, hat die Primfaktorenzerlegung 23·791 und steht zweifelsfrei für den besten Weg, um nach Manhartsbrunn zu gelangen, schließlich sind sich da Josef und die Routenplanung von Komoot einig.
(4) Hornhaut: Das schwächste Glied der heutigen Tour: Die Kleine-Zehen-Hornhaut von Eva-Maria. Zur Verwunderung und Enttäuschung der Besitzerin war schon vor der Marathondistanz der Reibungspunkt überschritten (Im Vergleich: Beim Mozart100 war es erst nach 90 Kilometern so weit). Somit führt sie das Blasenpflaster-Ranking an und die weiteren Kontrahenten beißen sich die Zehennägel aus, um dranbleiben zu können.
(5) Flüsse und Bäche: Nach einer geplanten Übersetzung mit der Donau-Rollfähre von Korneuburg nach Klosterneuburg verleiteten die warmen Temperaturen auch zu spontanen Aktivitäten: Bernhard durchschritt den Weidlingbach, während der Rest der Truppe die 42 Extrameter in Kauf nahm und trockenen Fußes auf der anderen Seite ankam.
(6) Sandler-Bankl: Das Mittagessen wurde auf einer charmanten Stadtbank in Klosterneuburg eingenommen. Dank unseres Körpergeruchs, der raschen Einnahme von viel Flüssigkeit und unserer untypischen Bekleidung setzten wir uns von den anderen Anwesenden doch deutlich ab.
(7) Aus 4 mach 3: Wir starteten in der Früh mit 4 Personen (inklusive Josef) und finishten (geplanterweise) zu Dritt. Diesen Trend hoffen wir allerdings nicht fortzusetzen. Stattdessen planen wir weiterhin jegliches Friedhofswasser zu verkosten, Brennnesselsträucher auf ihre Wirkung zu testen und mit unsere gestählten Wadeln möglichst wenig Dornen zu beschädigen.
(8) Wassermangel: Laut Google kann ein Kamel 100 Liter Wasser speichern, doch Bernhard ist kein Kamel. Glücklicherweise gibt es aber im Wiener Becken auch Oasen – im Stil von Trinkwasserbrunnen verschiedener Gemeinden. Für morgen wurden bereits die besten Friedhöfe des Wienerwaldes ausgekundschaftet und die Route angepasst, da wir doch lieber mit Bernhard als mit einem Kamel unterwegs sind.
TAG 2: Purkersdorf → Muggendorf: 62KM, 2200HM, netto 8h30min
(1) Routenplanung: Die Kombi von Komoot und Eva-Maria läuft recht reibungslos (abgesehen von ein paar sehr „naturnahen“ Wegen). Jene ihrer Haut und Gewand hat da deutlich mehr Reibungspotenzial, sodass sie weiterhin unangefochten im Pflaster-Ranking vorne liegt.
(2) Zahnlos: Der Friedhof Maria Raisenbach bietet eine erfrischende Wasserleitung sowie ein wahres Paradies für Hobby-Archäologen und Innen. Es wurden ein Zahn, Knochen und Schädelknochenfragmente gefunden. Bessere Kniegelenke als die unseren konnten allerdings nicht ausfindig gemacht werden.
(3) Weissenbach: Nach unserer letztmaligen Mondscheintour durch Weissenbach an der Triesting (bereits 2020 fand die erste Ausgabe des Schneeberglaufs statt), durften wir heuer die Ortschaft bei Tageslicht bewundern und haben eine wahre Perle Niederösterreichs entdeckt: ein ADEG als Nahversorger, eine Polizeiinspektion mit Blumenkisterln auf den Fensterbänken, ein ansehnliches Rathaus, die Kirche von einem gepflegten Friedhof umgeben und mit einem Wasserspender am Vorplatz, eine RAIKA-Filiale, ein kleines Café sowie ein Blumengeschäft – Und das alles auf knapp 200 Metern zusammen, eine wahrhaft kitschige Idylle.
(4) Fernblick: Die bekannte Silhouette des Schneebergs zeichnete sich nun immer deutlicher am Horizont ab. Bei guter Wetterlage ist sie auch von den Hügeln rund um Mistelbach zu sehen, weshalb überhaupt die Idee des Schneeberglaufs geboren wurde.
(5) Sandler-Life 2: Beim Abendessen in Pernitz konnten wir uns abermals nahtlos in die lokale Sandler-Szene integrieren. Unser ganzes Leben hatten wir im Rucksack dabei, Körpergeruch und Aussehen waren auch schon mal besser. Mit mehreren SPAR-Sackerl beladen, steuerten wir wieder Mal auf eine Parkbank zu und dann lagen da tatsächlich noch eingepackte KINDER-Riegel, die von Kathrin mit Freude verspeist wurden.
(6) Radfahrer: Auf den letzten Kilometern der Tagesetappe konnten wir bergauf noch einen Radfahrer überholen, der uns bei dieser Gelegenheit gleich den falschen Weg erklärte und mit diesem (nachvollziehbaren) Ablenkungsmanöver dann doch schneller als wir sein konnte.
(7) Blasmusikempfang: Als wir die Myrafälle bei Muggendorf erreichten, begann beim dortigen Wirtshaus gerade die Blasmusikkapelle zu spielen. Gratiseintritt gab es trotz dieser dargebrachten Hochachtung nicht, daher ging es mit Hintergrundmusik über einen steilen Trampelpfad wieder etwas zurück und dann die letzten Meter entlang der Hauptstraße zum Quartier.
(8) Regeneration: Mit der Aussicht auf Abkühlung begaben wir uns zum Abschluss dieses abermals heißen Tages zum Ufer des Myrabaches. Die geplante Schwimmaktion wurde aufgrund der doch sehr niedrigen Wassertemperaturen nahe der Schockfrost-Grenze dann etwas abgewandelt. Je nach Mut wurden ein bis alle Körperteile kurz eingetaucht, um am nächsten Morgen erneut um 5 Uhr Früh wie junge Gämsen aus den Federn zu springen.
TAG 3: Muggendorf → Schneeberg → Payerbach-Reichenau: 43KM, 2100HM, netto 7h50min
Es wurde rauer!
(1) … der Ton: Die Konversationen passten sich den Bedingungen an. Hier ein Auszug: B ist augenscheinlich etwas von seinem körperlichen Höhepunkt entfernt. EM [spricht aus Erfahrung]: „Nach ein paar Metern anlaufen wird es besser.“ B [kann mit dieser Aufmunterung nichts anfangen]: „Sei einfach nur leise…“ [1400HM und etwa 2 Stunden später] B: „… bitte.“
(2) … das Terrain: Der Fadensteig ist fast mit dem Mistelbacher Triftweg zu vergleichen – sieht man von der Steigung, den Felsen und den Abschnitten mit Klettersteig-Sicherung einmal ab. Kathrin gefiel es nicht. Einerseits bezweifelte sie den Trainingseffekt des Tempos, andererseits mag sie keine Steine.
(3) … das Wetter: Gab es die letzten beiden Tage viel Sonne, ein paar Wolken und erfrischenden Wind, ging es heute bereits wolkenverhangen los und nach 7 Kilometern folgte der erste Regenguss. Am Fadensteig kam zudem lebhafter Wind auf und mit zunehmender Höhe nahm die Temperatur ab. Die paar Leute, denen wir begegneten, waren Großteils mit Haube, Handschuhe, langer Hose und Jacke bekleidet.
(4) Gipfelsturm: Begleitet von Nieselregen, Wind und Nebel bestritten wir die letzten Höhenmeter des Schneebergs. Bei gefühlten 7 Grad mussten wir das Gipfelkreuz mit keinen Wandertouristen teilen und konnten in unseren Funktionsjacken (glücklicherweise hatten wir sie also nicht umsonst die ganze Strecke über mitgetragen) ungestört posieren. Allerdings nicht allzu lang – brrr….
(5) Schwammerlsuche: Was machen drei Millennials auf allen Vieren auf 1800 Metern Seehöhe? Schwammerlsuche war gestern, heute wurden Avocados gesucht: Eva-Maia glaubte bei einem Beinahe-Sturz ihren Wegproviant verloren zu haben. Daraufhin wurden die Latschen nach Avocados durchforstet, allerdings ohne Erfolg. Somit waren wir uns eigentlich schon sicher, die Biosphäre des Schneebergs für immer verändert zu haben: In wenigen Jahren würden hier Avocado-Wälder wuchern und auf den Hütten würde hausgemachte Guacamole angeboten werden. Diese Fantasien wurden schlagartig unterbrochen als Eva-Maria bei der nächsten Rast die Früchte doch noch im Rucksack fand.
(6) Schlusssprint: Das Ziel – der Bahnhof Payerbach-Reichenau – war nahe. Blöderweise wurde der aber gerade saniert, sodass wir nicht so einfach auf die richtige Seite des Bahnsteigs gelangten. Um den anvisierten Zug dennoch zu erreichen, musste also eine Tempoverschärfung her. Umso seltsamer war es dann schlussendlich verschwitzt im Wagon zu sitzen und nicht mehr weiterzulaufen.
(7) Zielinterview: Bester Snack? K: KINDER-Riegel. EM: Stangensellerie. B: Laugenstangerl. Schuhempfehlung? K: ASICS Trabuco Max 2. EM: HOKA Speedgoat 5. B: BROOKS Launch 7. Tiefpunkt? K: Fadensteig. EM: KM25 bis KM33 an Tag 2. B: Erste Hälfte des letzten Tages. Zusatzding? K: Ärmlinge. EM: Wundcreme. B: Kuschelpullover.
(8) Schlaf-Lauf-Balance: Das war der dritte Tag infolge, an dem wir zeitlich mehr gelaufen sind als geschlafen haben. Insgesamt legten wir 172 Kilometer und 5700 Höhenmeter durch 8 niederösterreichische Bezirke zurück (zumindest denken wir so aufgrund der gesichteten Autokennzeichen: MI, KO, KG, PL, MD, BN, WB, NK). Unglaublich, wie weit man kommt, wenn man losläuft!